CORONA STORYS – Dokumentation des Neuartigen

Seit Ende 2019 breitete sich ein neuartiges Coronavirus über die Welt aus und hat in einer nicht für möglich gehaltenen Art und Weise unser Leben verändert. Zuerst war es weit weg, dann kam es immer näher, wurde bedrohlicher und schon waren wir im ersten, aber nicht letzten Lockdown. Auf einmal war da etwas in der Welt, gegen dass sich auch die reichen Staaten und Gesellschaften nicht wehren konnten.

In allen Medien ist seit Anfang des Jahres 2020 über diese Pandemie viel berichtet, spekuliert und dokumentiert worden. Aber wie ging es den Osnabrücker:innen in dieser Zeit im Frühjahr und Sommer 2020? Kunst und Kultur, Ausstellungen, Aufführungen und Konzerte waren mit als erste von den vorbeugenden Maßnahmen betroffen und kehren vielfach mit als letzte zu einer Normalität zurück.

Für viele Menschen ist ein künstlerisch-kreativer Ausdruck ein Mittel, um den Alltag zu reflektieren und Erlebtes zu verarbeiten. Egal ob schreiben, malen, zeichnen, fotografieren, filmen, texten oder komponieren, egal ob als Hobby oder als Beruf: Mit diesem Projekt hat die Lagerhalle einiges von dem gesammelt, was zwischen März und September 2020 in kreativen Prozessen entstanden ist.

Wir danken dem Fachbereich Kultur der Stadt Osnabrück für die Projektunterstützung und dem Rat der Stadt Osnabrück für die großzügige Aufstockung der freien Projektmittel im Jahr 2020.

Wenn Sie Interesse an einem der Werke haben, melden Sie sich gern unter info@lagerhalle-os.de.

Fotografie

Freie Fotograf:innen gehörten mit zu der am härtesten betroffenen Berufsgruppe im Lockdown. Keine Aufträge, kein Einkommen und große Existenzsorgen. Was haben sie dennoch in dieser Zeit fotografiert? Was war ihnen wichtig?

Wir haben drei freischaffende Osnabrücker Fotograf:innen beauftragt eine Fotoserie anzufertigen oder aus den Fotos des Frühjahrs 2020 auszuwählen. Drei Fotograf:innen mit unterschiedlichen Arbeitsweisen, Biografien und Blickwinkeln. Großformatige Abzüge wurden in einer Straßengalerie und in der Lagerhalle präsentiert.

Maan Mouslli

www.maanmouslli.de

Ma’an Mouslli ist Fotograf und Dokumentarfilmer. Während seines Informatikstudiums an der Europäischen Universität von Damaskus gründete er einen Theaterclub und spielte selbst in vielen Stücken mit.

Ich fotografiere Menschen, Unternehmen, Werbekampagnen und Veranstaltungen. Darüber hinaus gilt meine Leidenschaft der Landschafts- und Naturfotografie. Als zuverlässiger Partner begleite ich Projekte von der ersten Idee über die Planung, Umsetzung und Postproduktion bis zum fertigen Produkt. Ziel dabei ist immer ein professionelles Endergebnis, das den Wünschen meiner Kunden entspricht.

Die Fotos können erworben werden. Natürlich freut sich Maan Mousli auch über Aufträge. Melden Sie sich gerne unter Info@maanmouslli.de

Liudmila Jeremies

https://liudmilajeremies.de/

Geboren in St. Petersburg, Russland
Kunstschule St. Petersburg (Russland)
Lehramt-Studium Kunst, St. Petersburg (Russland)
BEST-Sabel Berufsfachschule für Design, Berlin
Abschluss: Staatlich geprüfte Fotodesignerin

seit 2010 freiberuflich tätig
Schwerpunkte:
Portrait-, Hochzeits-, Foodfotografie, Fotoseminare

Die Fotos können erworben werden. Natürlich freut sich Liudmila Jeremies auch über Aufträge. Melden Sie sich gerne unter info@liudmilajeremies.de

Die leere Menge

Die leere Menge ist ein grundlegender Begriff aus der Mathematik.
Die leere Menge ist nicht nichts, sondern eine Menge, die nichts enthält.

„Während der Corona-Pandemie sehen sich viele Menschen einer großen Leere gegenüber. Besonders eindrücklich als Bild ist dies bei Menschen, die gewohnt sind, mit und vor großen Publika oder Gemeinden zu agieren – seien es KünstlerInnen, Geistliche, Veranstalter. Die Idee der leeren Menge hat mich schon immer fasziniert. Da sie eben nicht nichts ist, können und müssen wir sie formen. Wir sind ihr nicht ausgesetzt. Ein Hoffnungsschimmer, gerade in dieser schwierigen Zeit.“
Liudmila Jeremies, September 2020

Nichts ist komplizierter als das Nichts, zumindest aus der Sicht der Philosophie. Der Mensch, als wissendes Subjekt, kann sich der Welt bedenkenlos überlassen, wie ein Fisch dem Wasser, oder er kann die Welt formen. Der Mensch kann das, was nicht ist, in Realität verwandeln.
Raúl Rojas in „Das Nichts in der Mathematik“

Mit großem Dank an Kinan Azmeh, Anna Jehle & Juliane Schickedanz, Bischof Franz-Josef Bode, Ursel Dreyer, Christian Saßnick, Andreas Hotz, Marine Sanchez Egasse, Michael Dreyer

Angela von Brill

https://www.angelavonbrill.de

Sie sagt über sich:

… eine handwerkliche Ausbildung zur Portraitfotografin und ein Studium der Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Fotografie sind meine Basis als freiberufliche Fotografin und  in der Bildungsarbeit.

… meine Motive finde ich überwiegend in Osnabrück: die Menschen, die Kulturveranstaltungen, die Architektur, aber auch auf Reisen!

… gerne auch zusammen mit meinen KursteilnehmerInnen!

Die Fotos können erworben werden. Natürlich freut sich Angela von Brill auch über Aufträge. Melden Sie sich gerne unter vonbrill@osnanet.de

Songwriting

Mit Musik lassen sich Gefühle ausdrücken. Viele Osnabrücker Musiker:innen haben in diesen Zeiten zum Instrument gegriffen und der eine oder andere neue Song ist unter den aktuellen Eindrücken entstanden. Aus den Einsendungen haben wir drei Bands ausgewählt und mit ihnen im zweiten Lockdown im Dezember 2020 dieses Video produziert.
Ilses Imbiss
Cliff Barnes an the fear of winning
annamaltnicht

Bannergestaltung

Die Fassade der Lagerhalle ziert zu normalen Zeiten ein 2x3m großes Banner und lenkt die Aufmerksamkeit auf die nächsten Festivals und Großveranstaltungen. Zu Beginn des Lockdowns haben sich zahlreiche Osnabrücker Kulturinitiativen, Festivals und Veranstalter mit dem Banner „Kultur ist ein Überlebensmittel“ und der Aufforderung „#stayathome“ an die Öffentlichkeit gewandt. Die Rückseite dieses Banners wurde im Rahmen des Projekts vom Osnabrücker Künstler Henning Bischof neugestaltet.

 

 

Henning Bischof, Kultur 2020, Acryl auf PVC, 200×300 cm, 2020.

2020 – ein schwieriges Jahr für die Osnabrücker Kulturszene. Ausstellungen, Eröffnungen, Konzerte – abgesagt. Eine Rückkehr zur Normalität – ungewiss. Über allem schwebt ein Schatten der unübersehbar den Alltag verändert. Doch es ist nicht alles hoffnungslos, diese Malerei ist ein Beweis. Der Künstler Henning Bischof verarbeitet einige seiner Eindrücke zu dieser Situation in diesem Bild. Auftrag der Lagerhalle im Rahmen des Projektes „Corona Storys – Dokumentation des Neuartigen“.

Bilder

Wir haben Osnabrücker:innen die Möglichkeit gegeben, uns ihre Kunstwerke zu schicken, die im Laufe des ersten Lockdowns entstanden sind und nun hier präsentiert werden.

Nora Zang

Der Corona Alltag stellt uns alle vor große Herausforderungen, die gewonnene Zeit kann aber auch zu neuen kreativen Impulsen genutzt werden.

„Garlied against Corona“, 80 x 80 cm, Acryl auf Leinwand

„Goofy against Corona“, 80 x 80 cm, Acryl auf Leinwand

„What happened to the toilet paper?“,
40 x 40 cm, Acryl auf Leinwand

Klara Harhues

„Im Geflecht des Lockdown“, 80 × 80 cm, Acryl auf Leinwand, Zufallsbild Coronachaos.
Habe die Energie fliessen lassen. Oben links im Bild ist ein Gitarrenspieler zu finden, der allem Chaos zum Trotz musiziert.
„Das bunte Leben wartet“, 60 × 80 cm, Acryl auf Leinwand, mixed Media Wir müssen nur Geduld haben.
„Der Feind in deinem Körper“, 70 × 50 cm, Acryl auf Leinwand
Die Farbskala des Bildes spiegelt die Aggressivität des Virus.
„Die grosse Stille – warten auf den Tag X“, 80 × 100 cm, Acryl auf Leinwand, mixed Media,
Das Schwarz symbolisiert die Leere der Zeit. Die Farbe Weiss steht für den Neuanfang am Tag „X“ auf den alle warten.

Peter Mengeringhausen

Bei meinen Gedanken zum Thema Corona fiel mir sofort Picassos Tuschzeichnung von Don Quichotte de la Mancha und seinem Gefährten Sancho Panza ein. Dieses Bild hat für mich eine besondere Bedeutung, da es das letzte Buch meines 2015 verstorbenen Freunds und Mentors Lothar Knapp ziert.

Bolko Müller

Ich bezeichne mich als Nachhaltigkeitskünstler. Ich arbeite fast ausschließlich mit gebrauchten Materialien und verwerte viele Dinge, die im Haushalt zerbrochen sind, oder die ich bei Wanderungen in der Natur und auf Straßen, Wegen und Plätzen finde. Gegenstände, die alt oder abgenutzt sind und ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen, erwachen durch meine Gestaltung zu neuem Leben. Mein Werk „handlungsunfähig“ zeigt, wie ich mich im Corona-Lockdown fühle: ausgebremst im Schaffen. Demgegenüber stehen das Hoffnungslicht und die Blume der Zuversicht, die mich aus meinem Tief befreien.

„Handlungsunfähig“, 28 × 36 cm

„Hoffnungslicht“, 9 × 11cm

„Blume der Zuversicht“, Höhe 16 cm

Kurzfilme

Ein Virus befällt Menschen und kann deren Leben radikal verändern. Eine Pandemie verändert Gesellschaften und Zusammenleben. Dadurch verändert sich auch unser Blick auf Alltägliches und Außergewöhnliches. Jeder macht sich dabei sein eigenes Bild von der Realität. Wir haben Menschen jeden Alters dazu animiert, diese persönlichen Blicke, Eindrücke und Gedanken in Gestalt eines Kurzfilms auszudrücken. Was und wie gedreht, geschnitten und vertont wird, spielte bei diesen filmischen „Corona-Storys“ nicht die entscheidende Rolle. Hauptsache kreativ, knackig und kurz.

Thea Henning

„Ich bin 19 Jahre alt und hab in diesen seltsamen Zeiten etwas das kreative Schreiben für mich entdeckt. Der Text im Film ist relativ am Anfang dieser Verhältnisse entstanden, der Film kam noch etwas später dazu.“

Wolfgang Schott

Der Film basiert auf zwei Aussagen:
1. „Life finds a way“: Das Leben findet einen Weg und hat und wird sich auf der Erde immer durchsetzen, ob menschliches Leben sich durchsetzen kann, soll der Betrachter selbst entscheiden.
2. „Life cannot be contained“: Leben lässt sich nicht eingrenzen. Hier stellt sich die Frage, wie mit Corona-Beschränkungen umgegangen werden kann.
Der Betrachter soll selbst die Sinnhaftigkeit für sich entdecken. Das Leben wird zu Beginn durch eine restringierte Natur gezeigt. Pflanzen sind angebunden, das Gewächshaus repräsentiert die Urbanisierung. Das Leben ist so gut möglich, nur ist es lebenswert? Der Betrachter mag auch diese Parallele zu den Corona-Beschränkungen selbst bewerten. Die Biene in freier Natur zeigt den üblichen Lauf der Dinge. Ist der Mensch wirklich in der Lage, Bienen auszurotten, oder bleibt er eher selbst auf der Strecke? Dies wird durch die Bahnhofsszene deutlich. Das Virus bremst die Menschen trotz aller Technik aus. Die Natur funktioniert, auch die Altstadt friert ein. Luft … und ein Verbot (zum Atmen) für alle Erkrankten, die keine Hilfe bekommen können. In unserem Land mit seinem Gesundheitssystem nicht denkbar, aber möglich. Die Taube ist das Symbol für den Frieden oder den Glauben. Sie fliegt aus dem Bild, lässt sich nicht einschränken – Symbol für Aussage 2. Dann Super-8 Aufnahmen, was war. Und die Natur, wie sie auch ohne Menschen sein wird. Wer hat das in der Hand? Die Menschen möglicherweise nicht. Es bleibt bei den Beschränkungen des Gewächshauses unserer Gesellschaft. Trotzdem färbt die Erde sich rot … Habt keine Angst. Angst ist tödlicher als jedes Virus!

Katrin Langewellpott

Das Projekt #wartehäuschen war ein Experiment, Malerei und Musik miteinander zu verbinden. Die großformatigen Fotos von polnischen Bushaltestellen, die in Claudia Walshs Keller einst vor der Vernichtung errettet wurden, wurden zu neuem Leben erweckt. Sie wurden zu Symbolen für das Warten auf Normalität nach dem Ende des Lockdowns.

Zu jedem Foto komponierte Katrin Langewellpott ein kurzes Ausgangsmotiv, das sie am Tag der „Verwandlung“ präsentierte, und auf das Claudia Walsh wiederum ihrerseits mit Motiven und Farben reagierte. Danach war alles dem Zufall überlassen.

Ein weiteres Projekt von Britta Habuch und Katrin Langewellpott: Transformation 19

Wir haben Fragen formuliert, die uns in der gegenwärtigen Situation von Covid-19 beschäftigen.
19 Personen aus allen Altersschichten wurden gebeten uns eine dieser Fragen zu beantworten.
Die Fragen wurden zufällig zugeordnet, die Person bekommt sie an einem der 19 Tage gestellt.
So bekommen wir an jedem der 19 Tage einen Eindruck einer Person zu einer bestimmten Fragestellung an genau diesem Tag.
Die Sätze werden jeden Tag großformatig auf Papier aufgebracht. Diese Aktion wird gefilmt.
Parallel dazu wird der jeweilige Satz in eine Komposition umgewandelt.

Im Vorfeld haben wir jedem Buchstaben des Alphabets einen Ton zugeordnet. Konsequenterweise haben wir mit dem 19. Buchstaben des Alphabets, dem S, angefangen. Die Buchstaben S bis F werden in laute Töne und die Buchstaben G bis R in leise Töne umgesetzt. X und Y stehen für spontane Aktionen. Alle großgeschriebenen Wörter (ausgenommen das Wort am Satzanfang) werden gezupft, der Rest mit dem Bogen gestrichen.
Es entsteht das online-Tagebuch eines transformativen Prozesses in dem Gedanken, die uns bewegen, spielerisch in einen anderen Zustand versetzt werden.

Texte und Gedichte

Hier kommen wir im wahrsten Sinne des Wortes zu den „Storys“. Wir haben Texte, Kurzgeschichten, Gedichte, Essays und niedergeschriebene Gedanken eingesammelt.

Eva Dix

Frage

Als Kind stellen wir simple Frage
und erwarten einfach Antworten.
Als Jugendlicher stellen wir komplizierte Fragen
und erwarten einfache Antworten.
Als Erwachsener stellen wir simple Fragen
und geben komplizierte Antworten.
Im Alter stellen wir simple Fragen
und beantworten sie einfach.

Anna Reckzeh

Im März
– annamaltnicht
Es ist eben nicht egal
Ob in China ein Sack Reis umfällt
Plötzlich geht alles schnell
Trifft jeden Winkel dieser Welt
Ein Hauch in der Luft
Breitet sich aus zu einer Pandemie
Man merkt wie nie:
Die Natur nimmt uns die Waffen aus der Hand
Du stehst neben Dir
Ich auch
Da ist so viel Liebe
Und zwei Meter zwischen uns
Und Du sagst es ist o.k., wenn Du traurig bist
Ich weiß es wird vorüber gehen
Doch es wäre schön, wenn es so bleibt
Dass wir uns alle füreinander verantwortlich fühlen
Sie sagt es sei so schön
Den Frühling mal zuhause zu verbringen
Waren die Blumen im Garten im März
Schon immer so schön?
Das Leben es mahnt
Nicht Alles selbstverständlich zu nehmen
Denn jetzt geht es nicht einmal
Dich in den Arm zu nehmen
Du stehst neben Dir
Ich auch
Da ist so viel Liebe
Und zwei Meter zwischen uns
Und du sagst es ist o.k., wenn Du traurig bist
Ich weiß es wird vorüber gehen
Doch es wäre schön, wenn es so bleibt
Dass wir uns alle füreinander verantwortlich fühlen

Domenica

Unter der Maske sind sie alle gleich:
An Geld meist arm, an Herz meist reich.
Da zählt nicht dunkel oder hell.
Da geht’s im Augenblick um „schnell“.
Schnell mal eben Leben retten,
tausend Schläuche an den Betten.
Über der Maske seh‘ ich müde Augen,
die unerlässlich an das Gute glauben.
Unter der Maske kriegen sie selbst kaum Luft,
schwitzen wie blöde unter der Kluft.
Der Tag, an dem wir die Masken ablegen,
ist der Tag, an dem sie? Immer noch pflegen!

Johanna Götz
http://johannagoetz.com/

Yola

Erwachen.
Liebt mal einander
Und vor allem Euch selbst.
Hört auf zu hassen
Und fangt an,
Aus der Illusion zu erwachen!

Denn,
Diese wundervolle Welt
Ist so viel vielfältiger
Und eintausend mal bunter
Als all die abgegriffenen Scheinchen,
Die Tag für Tag auf Euren Kontos verrotten.

Weil,
wisst Ihr was?
Davon kann sich niemand niemals das kaufen,
Was wirklich unsere Herzen erfüllt.
Nicht Wachstum und Leistung
Sondern Lieben und Leben
Sind das, was zählt!

Auf Stand.
Geht ganz gut
Mit einer Portion Mut
Denn Mut tut gut
Wenn sich sonst nichts tut.

Der Teppich der Tatsachen.
Eiskalt, einsam und erschöpft
Fand ich mich
In tiefer Traurigkeit
Und hinter trocknendem Tränenschleier
Auf dem Teppich der Tatsachen wieder.

Es übernahm mich eine müde Melancholie
Und sie beförderte mich
Kurzzeitig ins Nichts
Irgendwo ins Nirgendswo
Zwischen Nirwana und Nostalgie.

Dieter Grave

der gelbe buntstift
sie war seit wochen nicht in der Schule
corona
sie war sehr gern für sich
die mitschüler waren manchmal
schlimm
trotzdem war es besser
als zuhause zu sein
DER VATER WAR JETZT AUCH VIEL ZUHAUSE
und sie war jetzt auch viel zuhause
sie malte gern
sie saß in ihrem zimmer
sie hatte viele buntstifte
sie hatte ein haus gemalt
es hatte rote dachziegel und einen hohen schornstein
neben dem haus stand eine schaukel
und neben der schaukel war eine turnstange
ein weg führte bis an die haustür
an dem weg standen ein paar grasbüschel und ein baum
in das erste fenster neben der haustür hatte sie gardinen gemalt
und zwischen die gardinen einen roten blumentopf
sie wollte gleich noch in alle fenster gardinen malen
und viele blumen in die fenster stellen
sie wollte ein häschen an den wegrand malen
und viele schwalben in den himmel
eine strahlende lachende sonne
und eine blaue gutewetterwolke
sie wollte aus dem schornstein rauch aufsteigen lassen
und ein kind in die schaukel setzen
und sie wollte einen ballon an den himmel malen
mit einem netten mann darin der dem kind freundlich zuwinkt
und in den baum wollte sie ein baumhaus malen
dass hinter vielen grünen blättern kaum zu sehen ist
sie wollte gerade die ersten blumen
in den blumentopf in das fenster
neben der tür malen
ALS IHR VATER HEREINKAM
DEN GELBEN BUNTSTIFT HAT SIE
FAST ENTZWEIGEBROCHEN SO FEST HIELT SIE IHN
IN IHRER KLEINEN FAUST
DIE GANZE ZEIT
IHR VATER ROCH DIESMAL NICHT NACH
SCHNAPS ABER ER ROCH NACH ZIGARETTEN
UND SEINE HÄNDE WAREN GROB UND SCHWIELIG
UND SEINE BARTSTOPPELN KRATZTEN
als er weg war
setzte sie sich wieder an ihr bild
den gelben buntstift hielt sie noch immer
ganz fest in ihrer hand
sie malte keine blumen ins fenster
und keine blätter
und kein baumhaus
sie malte keinen ballon und keinen mann darin
und keine schwalben
sie malte kein kind in die schaukel
es stieg kein rauch aus dem schornstein
kein häschen saß am wegrand
und auch die blaue gutewetterwolke
würde es nicht geben

sie hielt den gelben buntstift
fest in ihrer hand
und ließ das bild
wie es war

Johanna Götz
http://johannagoetz.com/

Naliandra Eichhorn

Im Hamstern eine Eins

Während die Welt um mich herum zum Hamstern die Supermärkte Osnabrücks bevölkerte, begann ich, in meinem Kopf Worte zu hamstern. Aus ihnen sollte ein Roman entstehen, der in der Corona-Zeit spielt.

Während die Welt um mich herum Sorge vor einer Ansteckung mit Covid-19 hatte, war ich mit dem Schreibvirus infiziert. Ich erschuf sieben Romanfiguren, die in Osnabrück und Umgebung zu Hause sind. Sie stammen aus sehr verschiedenen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten und pflegen einen verschiedenen Umgang mit Corona.

Während die Welt um mich herum Abstand hielt, näherten sich meine Romanfiguren an.

Und während die Welt um mich herum im Corona-Chaos versank, lebte ich in der Welt meiner Fantasie.

Was daraus geworden ist? Dies erfährt du bei der Lektüre meines Romans „Im Hamstern eine Eins“ (ISBN 978-3-7519-8265-8)! Erinnere dich an deine Corona-Zeit im Osnabrücker Raum, während du in die bunte Welt der Romanfiguren eintauchst. Fühle und lache mit ihnen, besuche die Orte aus dem Roman und lasse dir Hoffnung schenken, um die weitere Corona-Zeit zu überstehen!

Kerstin Brozat

Jagd

Langsam und ganz leise schleicht sie sich an. Leicht nach vorn gebeugt setzt sie einen Fuß vor den anderen, jede Faser ihres Körpers angespannt.

Fünfmal ist ihr die Beute schon entwischt, von einem anderen Jäger entrissen worden.

Geduckt in den Schatten stiert sie um die Ecke.

Da! Da liegt es friedlich auf dem Boden und scheint zu ruhen. Diesmal wird es ihr Triumph sein, die lang ersehnte Trophäe für ihr Heim!

Sie hebt ihren Blick, scannt die Gegend – am Ende des Hohlwegs rührt sich doch schemenhaft etwas!

Neeeiiiiinnnn!

Sie federt in die Höhe, springt nahezu aus ihrem Versteck, schnellt nach vorn auf ihr Jagdopfer zu, sieht noch im Flug etwas auf sie zurasen, bevor ihr Schädel splittert, sie bewusstlos auf den Boden kracht und die Beute unter sich begräbt.

„Meier! Rufen se doch mal wieder Polizei und Krankenwagen! Einmal noch, sag ich Ihnen, dann nehme ich das Toilettenpapier ganz aus dem Sortiment!“

Kara M-Buk

Erwacht

Aus einem Traum bin ich erwacht –
mitten in der Nacht.
Alles ruhig und still um mich.
An meiner Seite spür ich dich,
hör deinen sanften, ruhigen Atem,
denk an den Traum, ich saß im Garten,
auf meiner Bank im Sonnenschein.
Ich sah mich um, war ganz allein
und fühlte mich doch aufgehoben –
mit allem auf der Welt verwoben.
Warum nur bin ich aufgewacht?
Weil jemand laut, während ich schlief,
klar und deutlich: „ CORONA“ rief.

Corona

Wer bist du?
Ich kann dich nicht sehen.
Du flüsterst,
ich kann dich nicht verstehen.
Es klingt bedrohlich,
ich will es nicht hören,
weil deine Worte mich verstören.
Krankheit, Gebrechen und Tod,
die ganze Welt in Aufruhr, in Not.
Ich will dich nicht hören,
ich will dich nicht sehen.
Du schränkst mich ein,
nimmst mir Zeit, nimmst mir mein Sein,
mein Leben.
Nein, ich werde mich nicht ergeben.

Früher

Mit Corona zu leben
muss man erst lernen,
sich nicht nähern,
sondern entfernen.
Man trägt Maske,
lässt sich nicht gehen.
Wie war das Leben
früher doch schön.
Früher – wie lange ist
das bloß her?
Gefühlt ganz unendlich –
ich sehne mich so sehr.

Johanna Götz
http://johannagoetz.com/

Mirle Mondes

Pusteblume

Deine Träume fliegen wie Samen davon
Sie Pflanzen sich ein und setzen sich dort fest
Sie weilen dort und wachsen zu etwas große
Sie erblühen und Strahlen vor sich hin
Immer größer und größer

Sie saugen die Sonne auf
Ziehen ihre Energie aus der Umgebung
Ziehen den Regen an
Gedeihen vor sich hin
Blühen vor sich hin
Entwickeln sich weiter
Die Ideen schmiede entsteht

Die Gedanken wachsen
Sie werden zu Pusteblumen
Die Samen verwehen vom Wind
Bilden neue Pflanzen
Reichen die Gedanken weiter
Verteilen sich auf der Kugel
Wachsen überall

Die Träume werden zur Realität
Aus Gedanken entstehen Blumen
Aus einem Samen wächst ein Baum
Aus dir wachst etwas Besonderes
Du verteilst dich auf der Welt
So wie die Pusteblume
Du bist die Pusteblume
Deines eigenem Traumpalastes

Wenn das was wir denken zur Realität wird ist die Realität ein Traum.
Ein Traum aus funken funken der Hoffnung.

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